Mit dem Aschermittwoch beginnt für viele Christen eine Zeit des bewussten Verzichts. Woher kommt dieses Tun? Und welche biblischen, kirchengeschichtlichen und theologischen Grundlagen gibt es dafür?
Fasten ist weit mehr als eine persönliche Disziplin. Es ist eine geistliche Übung mit tiefen Wurzeln in der Heiligen Schrift, der kirchlichen Tradition und der lehramtlichen Verkündigung. Haben Sie sich schon einmal gefragt, welchen Mehrwert ein bewusster Verzicht für Ihr Leben haben könnte?
Biblische Grundlagen des Fastens
Fasten hat in der Bibel eine lange Tradition. Schon im Alten Testament fasteten Menschen als Zeichen der Busse und Umkehr. Mose fastete 40 Tage auf dem Berg Sinai, bevor er die Zehn Gebote empfing (Ex 34,28). Auch die Propheten riefen zum Fasten auf, um Gottes Barmherzigkeit zu erflehen (Joel 2,12-13; Jona 3,5). Besonders prägend ist das Fasten Jesu: Nach seiner Taufe zog er sich für 40 Tage in die Wüste zurück, um zu beten und zu fasten (Mt 4,1-2). Dies wurde zum Vorbild der christlichen Fastenzeit vor Ostern. Auch die Apostel kannten die Praxis des Verzichts, sie fasteten vor wichtigen Entscheidungen (Apg 13,2-3), und Jesus selbst sprach über das Fasten als selbstverständliche Praxis seiner Jünger (Mt 6,16-18). Im Zentrum dieses biblischen Fastens geht es um eine innere Haltung der Demut und eine neuerliche Hinwendung zu Gott.
Kirchengeschichtliche Bezüge
Seit den ersten Jahrhunderten der Kirche spielte das Fasten eine zentrale Rolle. Die frühen Christen übernahmen jüdische Fastentraditionen und verbanden sie mit dem Gedenken an das Leiden Christi. Schon im 2. Jh. berichtete Irenäus von Lyon von einer vorbereitenden Fastenzeit auf Ostern. Später wurden feste Fastenzeiten eingeführt, insbesondere die vierzigtägige österliche Busszeit.
Während des Mittelalters wurden die Fastengebote strenger. Gläubige verzichteten auf Fleisch, Milchprodukte und Eier. Die Fastenpraxis war an bestimmte kirchliche Gebote gebunden, und Verstösse wurden nicht selten mit Bussen belegt.
Mit der Reformation veränderte sich die Praxis: Während protestantische Kirchen das Fasten weitgehend aufhoben oder als individuelle Entscheidung betrachteten, hielt die katholische Kirche daran fest. Im Konzil von Trient (1545–1563) wurde das Fasten als wichtige Form der Busse bekräftigt. Im 20. Jh. passte die Kirche das Fastengebot schrittweise an die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen an.
Die Apostolische Konstitution Paenitemini (1966) von Paul VI.
Zu einem Meilenstein in der Fastenordnung für die katholische Kirche wurde die Apostolische Konstitution Paenitemini, die Papst Paul VI. am 17. Februar 1966 veröffentlichte. Darin wurde die Praxis des Fastens und der Abstinenz reformiert. Paul VI. betonte: «Die Busse ist keineswegs nur eine innerliche und individuelle Angelegenheit: Sie ist auch eine äussere und gemeinschaftliche, eine kirchliche und soziale Pflicht» (Paenitemini, II).
In Paenitemini unterscheidet der Papst zwischen drei Formen der Busse:
- Gebet – als Ausdruck der Hinwendung zu Gott
- Fasten – als körperlicher Ausdruck der geistlichen Erneuerung
- Werke der Barmherzigkeit – als konkrete Hilfe für Bedürftige
Die Konstitution lockerte zudem die strikten Fastenregeln: Während zuvor zahlreiche Tage in der Fastenzeit als Abstinenztage galten (d.h. im Normalfall nur eine volle Mahlzeit am Tag), wurden sie auf den Aschermittwoch und Karfreitag beschränkt. Gleichzeitig wurde betont, dass jeder Gläubige in eigener Verantwortung Formen des Verzichts wählen solle, die seiner Lebenssituation entsprechen. Diese Reform stellte somit einen wichtigen Schritt in der Anpassung des kirchlichen Fastengebots an die Moderne dar, indem sie die Verantwortung für die Praxis des Fastens ist die Hände des Einzelnen legte und diesem damit einen gewissen Spielraum einräumte. Bis heute ist die Konstitution Paenitemini von Paul VI. Grundlage für die kirchliche Praxis des Fastens.
In ähnlicher Weise äussert sich auch das kirchliche Recht. Der Codex des Kanonischen Rechts (CIC) von 1983 schreibt in den Artikeln 1249-1253 vor, dass alle Gläubigen zu Busse und Fasten aufgerufen sind. Besonders der Aschermittwoch und der Karfreitag sind verpflichtende Fasttage, an denen Abstinenz von Fleisch und eine eingeschränkte Nahrungsaufnahme gefordert sind.
Unterschiedliche Akzente in neuerer Zeit
Die Päpste des 21. Jh. haben das Fasten in ihren schriftlichen und mündlichen Äusserungen oft zum Thema gemacht. Papst Benedikt XVI. etwa sprach gerne über die befreiende Kraft des Fastens: «Unser Fasten und Gebet erlauben es (dem Menschen), den tiefliegenderen Hunger zu stillen, den wir in unserem Innersten empfinden: den Hunger und Durst nach Gott», so der verstorbene Papst in seiner Botschaft zur Fastenzeit 2009.
Sein Nachfolger Papst Franziskus legt den Akzent etwas anders. In seinen Botschaften zur Fastenzeit unterstreicht er gerne den Zusammenhang von Fasten und den Werken der Nächstenliebe, so etwa auch in seiner Fastenbotschaft 2022: «Möge das körperliche Fasten, zu dem uns die Fastenzeit aufruft, unseren Geist für den Kampf gegen die Sünde stärken. Lasst uns nicht müde werden, das Gute zu tun; denn wenn wir nicht ermatten, werden wir ernten zu seiner Zeit.»
Im Dienst der geistlichen Reife und Erneuerung
Fasten bedeutet nicht nur Verzicht, sondern auch eine Hinwendung zu Gott. Die Kirche lehrt, dass Fasten in Verbindung mit Gebet und Almosen ein Mittel der Heiligung ist. Der Katechismus nennt in Artikel 1434 Fasten als eine der klassischen Formen der Busse neben Gebet und Barmherzigkeit.
Das Fasten lädt dazu ein, sich von unnötigem Ballast zu befreien – nicht nur materiell, sondern auch geistig. Es eröffnet eine Möglichkeit zur Umkehr, zur Neuausrichtung des eigenen Lebens auf Gott hin. Gerade in unserer hektischen Zeit kann das bewusste Fasten helfen, sich der eigenen Sehnsüchte und Abhängigkeiten bewusst zu werden. Wie nutzen Sie diese Zeit? Ist es für Sie nur eine alte kirchliche Tradition oder ein echter Weg der inneren Erneuerung?
Dieser Artikel erschien erstmals im regionalen Teil des Nidwaldner Pfarreiblattes, Ausgabe Nr. 5/2025.